Marktbauordnung
Ein Ordensstaat der Mönchsritter gründete in Ostpreußen eine Stadt nach der anderen, nur sich selbst und keiner anderen Tradition schuldig: was war in diesen Städten die Stadtkrone, etwa die Burg oder ein Dom?
Es falle leicht, den Grundriß Friedlands (dritte Aufnahme – Stadtsicht vom Mühlendamm, zweite Aufnahme – Ordenskirche in Frauenburg) zu mißverstehen: sehr wohl hat die Stadt ein Zentrum und leitet alle ihre Maße von einem Grundmodul ab, doch sind es weder ein Dom-, noch ein Burgmaß! Ein städtischer Markt und ein städtisches Rathaus bildeten es, denn Städte waren hier im Vollbesitz ihrer Rechte gleich von der Gründung an. Die Ordensburgen hingegen, sofern es sie überhaupt gab, standen außerhalb des städtischen Koordinatennetzes, und selbst die mächtigen Ordenskirchen machten den Rathaustürmen ihren Rang nie streitig.
Jahrhundertelang säumten „architekturfreie“ Häuser diese Marktplätze, allesamt von gleichem Grundmaß, gleicher Höhe, unter einem großen Ziegeldach vereint – und waren an Harmonie kaum zu übertreffen.
Die Gründerzeit sprengte diesen Verband, jeder baute wie es ihm dünkte, sodaß zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Ensembles der Ringplätze fast schon verloren schienen.
Doch aus den Flammen des Krieges sollten sie in neuer und doch so vertrauter Blüte wiederauferstehen, denn die Wiederaufbauphase führte als erstes die strenge Gestaltaufsicht wieder ein, die im liberalen 19. Jahrhundert verloren ging.
Wohl gab es Versuche, bürgerlichen Reihenhäusern die ihnen angeblich ureigene Ordenspracht wieder anzuheften, doch blieb dieses Ansinnen aus gutem Grunde nur auf dem Papier. Die Rolle des Rathauses blieb ungeschwächt.
So betrat das erneuerte Ostpreußen das zweite Jahrzehnt des 20. Jahrhundert “preußischer, als das alte es war”.
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