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“Berufsausbildung in Nordostpreußen”

Von: 12inster_admin34534

Ein Vortrag, gehalten von Lasarus Fuchsson als Vertreter der Königsberger Städtebauschule am zweiten Tag des Kolloquiums.

Einst hatten wir ein durchdachtes System der Berufsausbildung in der Planwirtschaft: durchplant wurde immatrikuliert, durchplant studiert, durchplant gearbeitet nach dem Diplom. Es gab sogar besondere Fachleute in den Personalabteilungen der Betriebe, Ingenieure für Kaderausbildung, die dieses System betreuten. Die Verknüpfung der Lehre und der Praxis war auf diese Weise sichergestellt.
In den 1990-ern ward alles anders.

Man ließ sich auf einen Fehler in der Mittelschule ein, und versuchte, Lehrbetrieb mit praktischer Arbeit zu vermengen. Man gründete Lehrbetriebe für Schüler und stellte ihren Abgängern Berufszeugnisse aus, als ob sie durch wenige Wochenstunden tatsächlich einen Beruf erlernten! Doch dem Papiere nach war es so, und ihre Zeugnisse waren denen der echten Berufsschulen ebenbürtig.

Dies ging mit einem weiteren Fehler einher: die Rolle der Grund- und Mittelschulen wurde überbewertet und jene der Berufsschulen negiert. So kam es, daß das System der Arbeitskraftreserven, welches seit dem Zweiten Weltkriege gute Dienste leistete, in 1980-er Jahren ins Wanken geriet, und den 1990-ern, als die Planwirtschaft von der Marktwirtschaft abgelöst wurde, völlends auseinander fiel.

In 1990-er Jahren konnten nur 15% der Absolventen der Pädagogischen, Technischen und Landwirtschaftlichen Lehranstalten nach dem Diplom im jeweiligen Fach eine Anstellung finden. Plötzlich wurde es nicht mehr möglich, Berufspraktika abzuhalten: die Produktion ging rapide zurück. Doch das Berufsbildungssystem erwies sich als träge und wandelte sich ohne jede Voraussischt, so, wie es sich eber ergab. Auch das ganze Land formierte sich auf die ähnliche Weise um. So kam es, das Berufspraktika, ein wichtiges Element der Lehre, aus der Bildungsmatrix schlichtweg verschwand: dem Papiere nach war sie noch mit auf dem Lehrplan, aber ihre Wirksamkeit verringerte sich zusehends. Die Arbeitgeber weigerten sich, Lehrlinge in ihren Betrieben aufzunehmen: “Wer komme dafür auf, daß ich einen erfahrenen Mitarbeiter freistelle und ihn zum Aufseher über einen Studenten mache?”… Und wurden die Studenten einmal doch genommen, so setzte man sie bestenfalls als ungelernte Hilfskräfte ein, und nicht etwa als heranwachsende Fachleute vom gewissen Niveau. So erging es vielen, nicht nur unsrigen Studierenden.

Indes sahen sich nicht nur die Schulen als Vorstufen für die Universitäten, auch die Schüler wollten in ihrer Mehrzahl Akademiker werden, und Mißachteten die Fachschulsparte völlig. Dabei ist die Bildung, die man in einem Polytechnikum bekommen, keineswegs eine halbe Bildung, ein Absolvent ist sehr wohl zum eigenständigen Handeln fähig, etwa als Baustellenleiter oder als Sicherheitsbeauftragter, als Prüfer bei der Bauabnahme, als Versorgungsleiter Materialien, als Polier oder Kolonnenführer… Um eine Baustelle zum Erfolg zu führen, brauche man keine höhere Ingenieurausbildung, die Fachhochschule reiche bestens aus. Wir müssen lernen, klar zwischen den zwei Karrierewelten zu scheiden, zwischen der Verwaltung und dem Engineering. Im ersten Fall lerne man Verwalten, Leiten und Recht, im zweiten höhere Mathematik, Rechnen, Entwerfen usw.

Etwa zu derselben Zeit als die Wirkkraft der Fachpraktika nachließ, wurde auch die Finanzierung der Fachschulen stark und der Gerätepark verfiel. Wo keine Materialien und keine Werkzeuge in den Fachschulen und -Hochschulen, da auch keine schulinterne Praxis — während die außerschulische Betriebspraxis gänzlich auslief. Eine Katastrophe! — wir aber entließen bald zwei Jahrzehnte solche Quasi-Fachleute in die Welt hinaus. Dazu komme noch, daß die etwaigen Wirtschaftsförderprogramme niemals eine Personalkomponente mit enthielten, man machte sich nicht die Mühe, den Bedarf nach künftigen Fachleuten zu ermitteln, geschweige ihn den Bildungseinrichtungen zuzuführen. So waren es die Schulen selbst, die kurzfristig sich entschieden, wieviele sie lehren wollen, und in wlechem Fach — und von den Privaten hörte man nur: “Wir zahlen brav Steuern, der Rest ist nicht unser …”

Als Beispiel nehme ich eine mir bekannte Schule vor, unsere Staatliche Städtebauschule.

Im Jahre 2007 gab es eine landesweite Ausschreibung für Fachschulen und Fachhochschulen, an der Entwicklung neuerer Bildungsanstalten mitzumanchen. Wir kamen in die Endrunde, was 20 Millionen Rubel Sondermittel vom Bund bedeutete. Wir ansderseits müßten weitere 20 Millionen aus der Provinz zusammenbekommen. Da half uns die Bauunion der Region Kaliningrad sehr, damals vom E.W. Morozow geleitet, und das Ministerium für Bauwesen der Region Kaliningrad, die uns halfen, verschiedene Baufirmen zusammenzuführen und auf dieser Weise z.B. unser Laborgebäude zu sanieren: es befand sich im ruinösen Stand. Das war dann unser “Lokalbeitrag”. Aus den Bundesmitteln kauften wir ein Lehr- und Betriebsmacschinen für das Baufach. Davor hatten wir ein Anschaffungsbudjet von 1 Million Rubel pro Jahr, durch den Wettbewerb erhielten wir 20 mal mehr, und machten so einen  Sprung 20 Jahre in die Zukunft! EDV-Anlagen haben wir gekauft uns haben jetzt einen leistungsfähigen Rechenzentrum, frei zugängliche Rechner, und AutoCAD-. sowie ArhiCAD -Kurse im Angebot: beide Progremme sind im Architektur- und Baufach sehr gefragt. Eine Vielzahl von Geräten haben wir nun zur zerstörungsfreien Untersuchung der Fundamente, Wände, Tragwerke und Leitungen: ohne die letzteren aus der Erde zu holen, stellen wir fest, wo ein Leck oder Bruch sei). Wir arbeiten da im Bereich Ultraschall, Röntgen, Spektralanalyse usw. Für das Fach “Wasserversorgung und Abwasserentsorgung” haben wir jetzt Schnellanalysegeräte für flüssige und feste Stoffe.

Dies versetzte uns in die Lage, endlich auch darüber nachzudenken, welche neue Bauberufe wir in der Zukunft lehren wollen.

Im Jahre 2006 ordneten wir uns neu und gaben einige Fächer auf, die uns in 1980-er Jahren zugeführt wurden (“Fremdendienst und Tourismus”, “Programmiersprachen”, “Wirtschaftswissenschaft”): unser Feld ist das Bauen! So entdeckten wir die Restaurierung oder auch Landkataster für sich, und haben uns entsprechgend mit der Ausrüstung eingedeckt, z.B. mit geodätischen Instrumenten vom Theodolyt bis zum GPS-Gerät.

Dies wiederum ermöglichte es uns, am gemeinsamen Projekt mit der polnischen Danziger Bauakademie teilzunehmen, wo es um die Beschreibung der Baudenkmäler ging. Da konnten wir unsere Fähigkeiten und das Interesse der Studenten, die Nachfrage von den Behörden besser abschätzen. Es begann die Suche nach Partnern, die Ausbildung auf dem Gebiete der Restaurierung sichern könnten. Hierfür zogen wir Fachleute aus Kaliningrad wie auch Moskau und St. Petersburg heran; Akademiemitglied A.W.Popow und andere Größen besuchten unsere Schule bei dieser Gelegenheit.

Die Bestandsaufnahme zeigte, daß die inländischen und europäischen Traditionen der Restaurierung erheblich voneinanderabweichen: wir machten uns die Suche nach deutschen Kollegen. Durch die Unterstützung deutscher Sponsoren konnten mehr als 70 unserer Studenten in den letzten 2 Jahren einige Fächer in Frankfurt an der Oder belegen, sich bei den Restaurateuren in Berlin, Potsdam und anderen Städten Deutschlands umschauen. Es gebe ernsthafte Geschäftsbeziehungen mit der DenkmalAkademie in Görlitz, vertreten durch den hier anwesenden Andreas Vogel, unsere Lehrer besuchten Görlitz im März dieses Jahres, später waren dann weitere Vertreter unsere Hochschule zugegen zusammen mit jenen des regionalen Denkmalamtes.

Nun sind wir sehr daran interessiert, ein System für Restauratorenausbildung zu entwickeln, denn die Restaurierung von Bau- und Geschichtsdenkmälern werde häufig durch den Mangel an Spezialisten behindert. Es müssen alle Baudenkmäler erfaßt werden, ihr Zustand beschrieben und die Wiederaufbaukosten bestimmt: erst danach kann man sie an den Mann bringen, auch meistbietend. Gehend wir nicht gleich an das Thema heran, und schaffen wir nicht die nötigen Fachleute für diese Anforderungen, stehen wir in 10-20 Jahren vor lauter Ex-Denkmälern da, die uns vor den Augen auseinandergebröselt sind. Hier bedarf es einen staatsmännischen Blicks.

Um für eine Baufirma für die Durchführung von Restaurierungsarbeiten zu qualifizieren, brauche sie Fachleute vom entsprechenden Niveau. Um nicht in ein Korruptionsloch zu fallen, wo den Möchtegern-Restauratoren gegen Geld alles bescheinigt werde, was sie nur wollen, als hätten sie solche Kurse belegt, kamen wir mit der DenkmaAkademie überein, Fachrestaurateure gemeinschaftlich auszubilden. Bei uns werden es unsere Kräfte bei Zuhilfenahme von ausländischen Experten anfangen, die Praktika durchlaufen sie in Deutschland mit der DenkmalAkademie und angeschlossenen Bildungszentren und die Endprüfung wird eine gemeinsame sein. So werden unsere Diplomanden Unrkunden über ihre berufliche Bildung erhalten, die von beiden Lehranstalten besiegelt werden und in Russland als auch in Europa von Belang wären.

Es läge nun am Kulturministerium der Region Kaliningrad und den anderen in Frage kommenden Organisationen und Fonds festzustellen, wieviele Fachleute man für die geplanten und budjetierten Denkmalmaßnahmen benötige. Auch eine Bildungsstätte wäre zu bestimmen oder auszuschreiben, die diese Restaurateure ausbilde — der Einrichtung wäre die “Abnahme” einer bestimmter Anzahl zu sichern. Wir nämlich sind der Auffassung, daß die Restaurierung unserer Altertümer und einen  neuen Schwung gebe, z.B. in der Tourismus-Branche mit ihrer Küste, ihrem Klima, usw. Ehedem pflegte man bei uns die Denkmäler nicht, hielt sie für fremd: es bedürfte ganzer 50 Jahre, um ihren Wert einzusehen, zu erkennen daß sie ein Schatz des deutschen wie des russischen Volkes sind. Doch noch sind sie nichteinmal konserviert und verfallen weiter. Energische Schritte müssen unternommen werden um zu bewahren, was da erhalten geblieben ist. Wir wenden uns an unsere westlichen Partner, um Mittel und Fonds aufzutreiben und gemeinsam an die Wiederherstellung der Gebäude vom historischem und kulturellem Rang schreiten zu können. Dies wiederum wendet unser ganzes Territorium zum Besseren zu.

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