Sanierung eines Bahndepots in Nordostpreußen
Diplomentwurf Eugenia Mlyntchiks, BNTU Minsk, Winter 2011.
Lehrstuhl Georg Saborskij, unter Beratung von Truschkewitch, Mindük, Sysojewa.
Inhalt:
- Sanierung des Eisenbahn-Rundschuppens zu einem multifunktionalen Raum
- Sanierung des Eisenbahn-Fächerschuppens zum Parking und Café, unter Beibehaltung der Drehscheibe
- städtebauliche Neuordnung des umgebenden Gebietes (Parken, Plätze, Erholungsbereiche; Umgestaltung von Büros und Handelsflächen, Einrichtung von Lehrräumen; Abtrag minderwerdiger Bausubstanz und abgenutzter Bauten)
- Berechnung alternativer Energiequellen
Einst bedaß Insterburg eine höchst eigene Architekturgestalt — heute ist die Stadt, eines Gutteils der alten Bebauung verlustig, eine ungeordnete Kombination mehrerer Architektur- und Geschichtsebenen. Da findet sich eine Ruine einer mittelalterlichen Ordensburg neben zahlreichen Denkmälern des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, den sowjetischen Fünfgeschössern und backfrischen Neubauten. Diese Fragmente sind ohne räumlichen und historischen Bezug zueinander. Bewahrt blieb der Stadt die alte Planstruktur mit den steingepflasterten Straßen; diese Besonderheit kann für die Stadterneuerung von Bedeutung sein.
Das inhomogene Stadtgewebe erfordert eine besondere Herangehensweise und innovative Vorschläge. Die Diplomarbeit macht sich zur Aufgabe, den Stadtteil um den Bahnhof wieder zu fügen. Die zentrale Rolle komme dem Kunstbau zu, einem multifunktionalen Gebäude mit Parkplatz und ein Café, im vorigen Leben einem Lokomotiv-Kreisschuppen, den Architekturdenkmal der 1870er und der einzigen Schwedlerkuppel Rußlands.
Volumetrisch-planimetrische Lö¶sung
Der Entwurf sieht eine Sanierung ehemals industriell genutzter Anlagen vor, und ihre Umnutzung als öffentliche Gebäude. Die Anlage besteht aus Vergnügungs-, Verwaltungs-, Parkierungs- und Alternative-Energiequellen-Bereichen.
Die Anlage belege einen 3,02-Hektar-Grundstück unmittelbar am Fernbahnhof. Südlich begrenzen ihn die Bahngleise, nördlich die Ludendorffstraße mit Mehrfamilienwohnhäusern, westlich die Tunnelstraße und Grünflächen, östlich die Hindenburgstraße und Industrieflächen. Die Hauptfassaden liegen zur Bahn hin, von wo aus sie aber nicht einzusehen sind, weil eine Lärmschutzwand sie abschirme; so wird die Ludendorffstraße zur Schauseite. Diese ist eine wichtige Durchgangsstraße der Stadt.
In der Nähe des Baues liege ein Erholungsgebiet, zusammen ziehen sie die Menschen in diesen Stadtteil an. Mit dem Entwurf wird versucht, die geschichtlich wertvolle Elemente zu bewahren und neue Inhalte hinzuzufügen. Angestrebt wird ein ansprechendes Umfeld
- für die Stadtbewohner, denen bisher an Erholungsmöglichkeiten fehle
- für die Zugreisenden, ihr Warten und Ausruhen im Inneren der Anlage oder auf den Grünflächen um sie
- für die Stadtbesucher, die zu den bestimmten Ereignissen in der Anlage anreisen.
Das Grundstück am Fernbahnhof werde von den unnützen Bauten “befreit”, gestaltet, vom Lärm geschützt. Ein Teil der Flächen werde für die Erholungszwecke hergerichtet, mit Gehwegen, Aussichtsplätzen, Ruheecken mit Bänken.
Derzeitige Nutzung; Öffentliche , Verwaltungs-, Industrie-Bauten
Bauten für Sanierung, Erhalt, Abriß.
Abzureissende Bauten
- Laden, 100 qm
- Verwaltung, 425 qm
- Lager, 90 qm
- Garage, 500 qm
- Lager, 350 qm
- Lager, 160 qm
- Lager, 355 qm
Zu sanierende Bauten
- Lokomotiv-Rundschuppen, 1420 qm — in ein Mehrzweckbau, 980 qm
- Lokomotiv-Fächerschuppen, 2120 qm — in ein Parking, Café und den Haupteingang der Gesamtanlage, 7960 qm
Das Grundstück werde ich zwei Bereiche geteilt, eines am Haupteingang zum Bahnhof hin und ein weiteres zur Hauptstraße.
Im ersten werde entsprechend dem Hauptnutzbau die Grünanlage für Erholungszwecke hergerichtet, mit Durchgängen, Blumenrabatten und Kleinarchitekturen, dem Lokomotivmuseum und einem Markt. Im zweiten, zu den Wohnhäusern hin, werden praktisch keine Veränderungen unternommen.
Bestand und Entwurf auf Kote +0,00
Bestand auf Kote +7,50 und Entwurf auf Kote +5,00
Die beiden Teile der Anlage aus dem neuen Parking und dem nunmaligen Mehrzweckbau verbinde ein Vestibül, ein Menschensammler und -Verteiler, von dem die Kleiderablagen, die WCs, das Café und das umgestaltete Depot zu erreichen sind. Die Küche des Cafés im Obergeschoß des Fächerdepots liege dergestalt, daß sie dieses wie auch das Restaurant bediene, welches eines der alternativen Nutzungskonzepte des Runddepots sei. Ihnsgesamt gebe es 8 solche Optionen; sie beinhalten:
- Parkhaus für 330 Autos, mit Nebenräumen
- Tambour
- Haupteingangshalle
- Kleiderablagen
- WCs
- Raucherzimmer
- Wachraum
- Kontrollraum
- Hausanschlußraum
- Stromraum (aus Solarkollektoren, -Zellen, Windrädern)
- Küche:
- Expedition
- Rechenraum
- Packraum
- Abfallkammer
- Gemüselager
- Fleischkühlraum
- Fischkühlraum
- Trockenlager
- Bäckerei mit Teigbereitungsraum
- Fleischschnittraum
- Fischschnittraum
- Geschirrspüle Küche und Speisesaal
- kalte Küche
- warme Küche
- Vorräume
- Büros-und Verwaltungen
Planbarianten:
Raum für kleinere Kunstinstallationen:
Raum für große Kunstinstallationen:
Technische Daten
- bearbeitete Grundstücksfläche, 302000 qm
- bebaute Fläche, 210000 qm
- Gesamtfläche aller Bauten, 8940 qm
- Bauvolumen, 29500 Kubik
- bepflasterte Fläche, 54022 qm
- begrünte Fläche, 5700 qm
- Kapazität, 2000 Besucher
- Gesamtnutzfläche öffentlicher Räume, 110 qm
- Gesamtnebenfläche öffentlicher Räume, 160 qm
- nutzbare öffentliche Bereiche, 1980 qm
- Baukosten nach Richtpreisen, 7417 Millionen Rubel.
Vergleichbare räumliche, funktionelle und künstlerische Lösungen in der Architekturpraxis der Gegenwart
In der modernen Baupraxis gibt es ein Beispiel gelungener Sanierung eines Runddepots: des Londoner Konzertsaals “The Roundhouse” (3300 Plätze, davon 1700 Sitzplätze), seit 1960ern und 1970ern als das Zentrum des britischen Underground, des Punk und des New Wave bekannt.
Ein 1847-Bau der Architekten Robert B. Dockray und Robert Stephenson, bediente das Lok-Depot die London-Birmingham-Bahn. Schon zehn Jahre nach der Errichtung wurde es von der Größe der neuen Lokomotive überholt; seit 1867 zweckentfremdet. So lagerte die Firma “W&A Gilbey Ltd” fast ein halbes Jahrhundert lang hier ihr Alkohol. Schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs war die Anlage verwaist. Erst 1964 zog hier wieder das Leben ein, als der Dramatiker Arnold Wesker sein Theater-”Centre 42″ hier ansiedelte.
Herrenlos geworden, wanderte das Depot 1966 in die Treuhand des neugeschaffenen Großlondoner Rats — so wurde “The Roundhouse” zu einem Konzertsaal. Es gab regelmäßige Auftritte des “Soft Machine” und “Pink Floyd”, “The Doors” und “Hawkwind”, “Rolling Stones”, David Bowie, Jimi Hendrix, “Led Zeppelin”, “Jefferson Airplane” und vieler anderen mehr; Musicals «Catch My Soul», «1776» und «Oh! Calcutta!» waren hier zuhause.
Mit dem Übergang des Gebäudes im Jahr 1983 in die Zuständigkeit des Camden-Kreisrates fanden die Konzerte ein Ende; bis zur Veräußerung in 1996 stand das Gebäude praktisch leer. Im Jahr 2004 begann die große Erneuerung, und am 1. Juni 2006 wurde aus dem “Rounhouse” — «The New Roundhouse». Heute finden hier die jährlichen “BBC Electric Proms”, es werden die Musik-Preise ausgetragen und die Auszeichnungen wie “The BT Digital Music Awards” und “Vodafone Live Music Awards” vergeben.
Einen weiteren vergleichbaren “Sonderraum” stelle der Essener Zollverein dar. Die erhaltene Ausstattung eines geschichtlichen Kohlenbergwerks mit mehreren Gebäuden des 20. Jahrhunderts ist nicht nur vom außergewöhnlicher architektonischer Bedeutung, sondern ist auch ein wichtiges Zeugnis der Wachstums und des Niedergangs der Industrie in Essen in den letzten 150 Jahren — und darüberhinaus der Sitz des “Red Dot Design”-Museums sowie eines Design-Zentrums. Seit 2001 steht die Anlage in der Liste des Weltkulturerbes.
Touristen können leicht den ganzen Tag hier zubringen. Auf sie wartet eine Fahrt in die Grube, ein spannender Bericht von der Geschichte des Ruhrgebiets; auf dem “Weg der Kohle” passieren sie alle Stufen von der Förderung bis zur Kohlenverarbeitung und dem Versand der Kohlen oder des Kokses an den Verbraucher. An den Koks-Batterien, wo einst die Becken die tausendgradige Fracht abkühlten, wird nun im Winter die Eislaufbahn angelegt.
Konstruktionslösungen
Die architektonische wie die konstruktive Lösung der Anlage zeichnet sich durch Leichtigkeit, Wirtschaftlichkeit, Ansehnlichkeit und Monumentalität aus
Die Konstruktion des Fächerdepots ist gemischt: historische Außenwände bleiben als freitragende Elemente erhalten und alle Decken wie Innenkonstruktionen werden demontiert. Eine neue monolithische Tragstruktur aus rechteckigem Stahlbetonstützen 250 x 450 bilde den Unterbau für zwei metallene Doppel-T-Träger, in 120er-Segmenten des Umfangs. Die Decken sind aus 220mm-Ortbeton, der Hauptbalken von 400mm und der Nebenbalken von 220mm werde von Stahlbetonstützen getragen. Das Dach wird fürs Parken benutzt, ferner an der Verwaltungsseite als eine offene Terrasse. Dort ist ihr die Betonschicht die Unterlage, oder aber eine Trapezblechdecke.
Innenwände KS-Blöcke 120mm und 200mm.
Fenster und Vorhangfassaden aus Dreikammer-Aluminiumrahmen nach dem alten Sprossenmuster, eingefaßt in nicht brennbare Mineralwolle-Wärmedämmung «Nobasil TF», 200mm (zwecks Vermeidung von Brandüberschlag). Gleichartige Schutzvorkehrungen sind auch in der Deckenebene angebracht.
Innenausbau des modernen und langlebigen Materialien.
Die untersuchte Konstruktion des Runddepot zeigte sich in einem guten Zustand uns ist zu 80 bis 100% der ursprünglichen Werte belastbar. Alle Tragglieder werden von daher belassen und nur die Deckung gegen Metall-Leichtbau-Paneele mit Isolierschaum ersetzt. Die eigentliche Schwedler-Kuppel bekomme eine pneumatische ETFE-Deckung. Dieser Film habe ausgezeichnete Wärmedämmeigenschaften und ist weit besser UV-Durchlaßfähig als etwa Glas: dies ist für Gewächshäuser oder Wintergärten von besonderen Belang. Auch gegen die starken Temperaturschwankungen ist er im hohen Maße Beständig und habe selbstreinigende Qualitäten.
Die ETFE-Folie habe sich bei einer Reihe von bedeutenden Projekten bestens bewährt, so dem “Eden Project”, der “Allianz Arena”, dem National-Wasserstadion in Peking und den “Tropical Islands” bei Berlin. Auch beim geplanten Riesenaquarium im Zentrum von London werden sie verwandt. Die Lebensdauer des Materials beträgt 25 Jahre, es ist reziklierbar.
Aus akustischen Gründen werden die Wände und die Deckenflächen des Saales nach Berechnung verkleidet. Ausschließlich feuerhemmende oder nicht brennbare Materialien kommen zum Einsatz:
- «Armstrong»-Platten
- Gips-Trockenputzplatten
- leichte Schallschluckmatten mit Glasfaservlies-Überzug
- Holzwerkstoffplatten 20mm oder Asbestzement-Platten 20mm (werden im Wand-Sockelbereich an die UK montiert, etwa 1-1,5m hinauf, als Technikpaneele)
Umwelt- und Lärmschutz-Lösungen
Die Bauten im Umgestaltungsbereich sollten sich nahtlos ins bestehende Stadtgefüge einpassen, und die nahe Bahn zwinge deswegen zu den drastischen Schallschutz-Maßnahmen, um die gesamte Nachbarschaft zu schützen. Die Lärmschutzmauern aus “Plexiglas Soundstop”® an den Gleisen entlang senken die besonders schädliche Emissionen: den Lärm um 12-15dB, die elektromagnetischen Felder um 10-15 Mal, auf daß die Normwerte erreicht werden. Besonders effizient, wirtschaftlich und ästhetisch ansprechend sind die temporären Metallkonstruktionen mit lichtdurchlässigen Tafeln. Für die maximale Abschirmung sollten sie relativ hoch sein, in der Länge ausgestreckt und möglichst nah an der Lärmquelle.
Für die ausreichende Schallisolierung des umgestalteten gleisnahen Gebiets sind vorgesehen:
- Eine PLEXIGLAS SOUNDSTOP Lärmschutzmauer mit Stromgeneratoren, bestehend aus folgenden Grundelementen:
- Schallschluckpaneele
Das Hauptelement der Mauer. Eines der Wände perforiert. Innen mit schallabsorbierenden Element, versiegelter Mineralwolle. - Transparente schallreflektierende Tafeln
Auf Plexiglas-Basis, für Schallsegeln zugelassen. - Horizontale Profile
Kaltgewalztes U-Träger, überträgt die Lasten von den einzelnen Tafeln zu den Pfosten. - Stützprofile
Standardmäßiges heißgewalztes U-Träger, Profil 14, nimmt die Last von der Wand als Ganzem auf. - Pfosten
Doppel-T-Träger, Profil 25, für die Montage aller anderen Elementen der Mauer.
- Schallschluckpaneele
- Ein 25m-Grünstreifen. Die Pflanzen filtern, fangen auf, reflektieren und absorbieren einen Teil des Schalls.
Auf dem Grundstück werden 38 Kurzzeit-Parkplätze eingerichtet, mit 4% Behindertenquote. Für die Besucher der Anlage und die Bewohner aus der Nachbarschaft gebe ein einen Parkhaus für 330 Autos.
Es gebe 3 Ein- und Ausfahrten: zwei von der Ludendorff-Straße und eines von der Hindenburgstraße. Vom Grundriß und Schnitt gestatten die internen Fahrwege das ordnungsgemäße Fahren und Wenden von Fahrzeugen.
Relief, Verschönerung und Begrünung
Das Gelände ist weitgehend eben, ohne signifikante Höhenunterschiede. Die Verschönerungsarbeiten beinhalten die Besucherparkplätze, die Ein- und Ausfahrten zum Parkhaus, aus Asphalt-Beton-Gemisch. Die Bürgersteige und Plätze werden mit Gehwegplatten belegt, die Gleiszwischenräume am Museum der Dampflokomotive sind aus Lärche.
Die Passage vom Hauptbahnhof werde begrünt, Blumenrabatte ausgelegt und Bänke aufgestellt. An der Bahn wird es eine Lärmschutzwand aus dichter Bepflanzung geben. Die Regenmassen werden an der Oberfläche abgeführt.
Kommentare (2) zum Eintrag “Sanierung eines Bahndepots in Nordostpreußen”
Veröffentlicht in der Dezember-Aufgabe von “StrojInterjerer”.
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