Buntes kommt wieder
Die ersten Kontakte zwischen dem “insterJAHR” und den “Keimfarben” geschahen bereits im November 2010 bei der Leipziger “Denkmal”-Messe: die einen stellten ihre gewohnt brillianten Fassadenfarben aus, seit 1878 nach Keimschen Rezept in bayrischen Diedorf hergestellt, die anderen hatten die ersten Arbeiten an der “Bunten Reihe” zu zeigen. Auch im Jahre 1912, dem Geburtsjahr des “Bunten Bauens” gab es die Keimschen Mineralfarben schon, und erst recht 1921, als Scharoun mit seinen Häusern zur Tat schritt: da war die Vermutung naheliegend, sie wären auch an den farbenfrohen Fassaden der heutigen Elevatorenstraße mit von der Partie. Hinter der Vermutung war ein handfestes Interesse: wo die Architektenangaben, die bauzeitlichen Erinnerungen oder Farbaufnahmen nicht auffindbar (wohl wisse man, daß es jene gab, doch wo?), wo nichteinmal die Lieferbelege für Pigmente und Bindemittel vorhanden — wie anders an die ursprünglichen Farbwerte kommen?
Zumeist bestellen die Handwerker ihr Farbvorrat, von den etwaigen Architekten gänzlich unabhängig, später mischt sich der Bewohner in die Bepinselung seiner vier Wände ein, wie der Zeitgeschmack gerade ausfalle — schon ist der Originalanstrich passé. Auch zu Insterburg wäre es so ergangen, doch reichte hierfür nicht die Zeit; zu Tschernjachowsk war es der allgemeine Materialmangel, der den Neuanstrich verhinterte — schon reiht sich die Stadt in die seltenen Beispiele ein, wo ein 90-jähriger Verputz mit Originalanstrich noch vorhanden.
Die “Keimfarben” nahmen es auf sich, die inzwischen verblaßten Pigmente und Bindemittel zu untersuchen: zu Jahresbeginn ging das Laboratorium Dr. Rupp ans Werk.
Aus dem Befund: “Zur Untersuchung lagen 7 Putzproben mit Anstrichresten… vor.” “Die Anstriche auf den Putzproben sind saugfähig, ungenügend gebunden und zum Teil stark vergipst. Spektralanalytisch und naßchemisch konnten sie als Silikatanstriche identifiziert werden. Es kann altersbedingt… nicht mehr ermittelt werden, ob es sich um KEIM Purkristallat-Farbe handelt”.
Was es also womöglich “Silin”? — vielleicht auch “Beeck”? — da helfe die Analogie. Bruno Taut griff bekanntlich zu den Keimfarben, auch Winfried Brenne, der Taut-Restaurator — da liegt die Vermutung nahe, daß auch Hans Scharoun sich denselben Lieferanten nahm.
Die übliche altersbedingte Beanspruchung berücksichtigend, stellte das Labor anhand der Putzreste einige neue alte Töne beispielhaft wieder her: so kann die Entwurfsarbeit der Restaurateure auf wesentlich sichereren Füße stehen.
Mehr und genaueres zu den Keimschen Mineralfarben bringe der Fachvortrag zum Abschluß der Praktikumssaison der Restaurierungs-Studenten, für Ende Juli anvisiert: bitte die Meldungen beachten!
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